In den USA hat sie eingeschlagen, wie eine Bombe. Die Netflix-Serie „13 Reasons Why – Tote Mädchen lügen nicht“ handelt von einem High-School Mädchen, Hannah Baker. Sie hält es nicht länger aus, Zielscheibe ihrer Mitschüler zu sein und wählt den Freitod. Gibt es etwas, das wir als Mobbing-Opfer über das Leben lernen können? Entsteht aus Mobbing-Erfahrungen vielleicht sogar ein Vorteil gegenüber anderen Menschen? Ich sage, ja.

Ich wurde als Kind in der Schule gemobbt. Ich war in der sechsten Klasse, als eines der beliebten Mädchen das Gerücht verbreitete, ich sei in einen Klassenkameraden verliebt. Tatsächlich war ich das nie. Wirklich. Er war einfach nur mein bester Freund. Wäre er weiblich gewesen, hätte vermutlich niemand etwas gesagt. Unsere Freundschaft zerbrach daran, weil er den Gerüchten geglaubt hat. In mir ist auch etwas zerbrochen, damals. Es war der Glaube, dass Jungs und Mädchen gefahrlos befreundet sein können.

Damit hatte alles angefangen. Als klar wurde, dass ich die neue Zielscheibe der Mitschüler war, waren es meine Haare, mein Gewicht, meine Brille, mein Gesang im Musikunterricht, mein Stottern, wenn ich Vorlesen sollte. An meinem 12. Geburtstag weinte ich morgens an meinem Geburtstagstisch, weil ich Angst hatte, in die Schule zu gehen. Ich befürchtete, dass man mir nicht gratulierte, sondern noch mehr drangsalierte.

Warum 13 Reasons Why – Tote Mädchen lügen nicht  gesehen werden kann

Das Phänomen Mobbing hat der Teufel höchstpersönlich kreiert. Es beinhaltet alles, was den Menschen hasserfüllt, respektlos, niederträchtig und grausam sein lässt. Mitschüler können grausam sein. Kollegen können grausam sein. Der eigene Chef kann grausam sein. Tatsächlich kann die Schule oder der Arbeitsplatz der Ort sein, an dem wir zum ersten Mal erfahren, wie grausam verletzend Menschen sein können – und wie verwundbar wir selbst sind.

Das Problem beim Mobbing ist, dass es heimlich und unterschwellig ablaufen kann. Das ist ein Grund von vielen, warum die Schülerinnen und Schüler ungern einem Erwachsenen von ihren Problemen erzählen. Sie wissen, dass das Anvertrauen vermutlich die Konsequenz hat, dass die Täter zur Rechenschaft gezwungen werden. Das macht die Probleme oft noch schrecklicher – und das ist die Wahrheit, wie ich sie erlebt habe.

Doch längst nicht alle Mobbing-Opfer bringen sich um, meine Güte! Die Panikmache um 13 Reasons Why und was es mit Jugendlichen anstellt, die diese Serie sehen, ist meines Erachtens maßlos übertrieben.

Ein paar Jahre in die Zukunft gespult, jetzt haben wir April 2017. Ich habe etwas sehr wichtiges gelernt in dieser Zeit, in der ich Mobbing-Opfer war. Das war mir damals natürlich nicht klar. Kaum jemand, der Mobbing erlebt, sei es in der Schule, in der Kirche oder am Arbeitsplatz, kann etwas Gewinnbringendes aus dieser Situation herausziehen. Deshalb teile ich das jetzt und hier:

Wir werden manchmal abgeschossen von einer Armee von verzweifelten Menschen, deren Leinwand wir für einen Augenblick sind. Auf dieser Leinwand sehen sie ihr eigenes Leid vor sich – und alles, was sie selbst nicht sind oder/und gerne wären. Das macht sie wütend in ihrem Leiden. Dieses Leid versuchen sie mit aller Kraft zu bekämpfen. Es geht nicht wirklich um uns, die Opfer ihrer giftgetränkten Pfeile! Wirklich. Es geht darum, die eigenen Schmerzen und Unzulänglichkeiten wegzudrücken, wegzuschießen, taub zu machen. Ein Mobbing-Opfer erinnert die Täter an ihre eigenen Schwächen und deshalb werden sie fertig gemacht.

Die Pfeile, mit denen wir getroffen werden, tun am Anfang weh, weil wir glauben, dass wir falsch sind. Wir glauben, dass irgendetwas mit uns nicht stimmt.

Tja.. Wir liegen dann immer falsch 😉 Wir SIND nicht falsch, sondern wir LIEGEN falsch.

Ein kleines Stückchen aus der Dunkelheit herausgerückt und vom Boden aufgestanden, erkennen wir, dass diese Situation einen Ausweg hat.

Was können wir nun erkennen, mit etwas mehr Klarsicht?

1.       Wir sind stark geworden. Das Leben schmiedet aus uns einen Menschen, der gerüstet wird für etwas, wozu andere Menschen nicht fähig sind. Wenn wir aus dieser schweren Zeit herausgegangen sind, wird uns so schnell nichts mehr umwerfen.

2.       Wir empfinden Mitgefühl. Wir wissen, wie es sich anfühlt, mies behandelt zu werden. Wir entscheiden uns, ob wir anderen Menschen auch so etwas gemeines antun wollen. Es stimmt, dass viele Mobbing-Opfer später selbst Mobbing-Täter werden. Wir können uns entscheiden, ob wir Rache ausüben wollen (selbst eine Leinwand brauchen…) oder unseren Schmerz im Leben selbstverantwortlich regeln.

3.       Wir werden weise. Mobbing-Opfer verbittern oder werden weise. Weisheit schenkt Gelassenheit und gibt die Zuversicht, dass wieder gute Zeiten kommen, wenn es einmal mies läuft. Verbitterung bringt Leere, Einsamkeit und Pessimismus.

4.       Wir gehen unbeirrt unseren Weg. Während andere damit beschäftigt sind, ihre giftgetränkten Pfeile durch die Gegend zu schießen, basteln wir an unserer Rüstung. Die lässt nur das durch, was wir brauchen, um wachsen zu können. Wir pflegen unseren Kompass, weil wir wissen, wohin wir gehen wollen. Wir passen auf unsere Freunde und Familie auf, weil sie den Weg ein Stück mit uns gehen.

5. Wir entscheiden uns für das Leben. Jeden Tag.

Als Mobbing-Opfer bist Du in guter Gesellschaft

Herzlich willkommen im Club derer, die aus ihren Mobbing-Erfahrungen grandiose Karrieren gemacht haben! Ein paar bekannte Namen sind diese hier:

Justin Timberlake war Mobbing-Opfer.

Madonna war Mobbing-Opfer.

Sandra Bullock war Mobbing-Opfer.

Robert Pattinson war Mobbing-Opfer.

Taylor Swift war Mobbing-Opfer.

…die Liste geht echt endlos weiter…

Der Punkt ist: Diese Leute haben ihre schmerzhaften Erfahrungen durch einzigartige Kreativität verwandelt. 

Ich kenne Dich vermutlich genauso wenig persönlich, wie die großartigen Schauspieler und Sänger da oben. Aber eines haben wir alle gemeinsam. Wir wissen:  Es hört auf. Und es macht stark, erfolgreich, mitfühlend, weise und ebnet den Weg für ein großartiges Leben.

Es ist Deine Entscheidung,
WIE Du darauf reagierst und
WAS Du daraus machst und mit
WEM Du Deine Erfahrungen teilst.

Irgendjemand da draußen wird irgendwann genau das brauchen, was Du zu geben hast. Das, was Du zu geben hast, findest Du weder auf Netflix, noch auf Facebook oder am Boden einer leeren Flasche Alkohol. Du findest es nicht in den Belehrungen anderer Menschen, nicht in den Tageszeitungen oder im nächsten Videospiel. Du findest es in Dir selbst und dafür braucht es im ersten Schritt nur eines:

Eine Entscheidung, die Dinge ab jetzt anders zu machen. Nicht morgen, nicht übermorgen, sondern JETZT.

Mit anderen Denkweisen, anderen Menschen, anderen Reaktionen auf Umstände, die Du ohnehin nicht beeinflussen kannst. Deine Entscheidung und Deine Reaktion hast Du immer in der Hand. Du entscheidest, welcher Mensch Du sein willst und wem Du die Macht über Dein Leben gibst.

Sei großartig. Sei die beste Version von Dir selbst.
Mach´s einfach.

XOXO
Sabrina

p.s. Im Mai 2017 reise ich zum Junggesellen-Abschied meines besten Freundes, der im Juni diesen Jahres heiratet. Es ist nicht der Junge aus der sechsten Klasse, aber einer aus der zwölften. Er hat mir das Gegenteil bewiesen: Jungs und Mädchen können auch einfach nur befreundet sein.

4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Meine Liebe! Ich danke dir für die Herztür, die du geöffnet hast – und dafür, dass ich einen Blick hinein werfen durfte. Dort habe ich in deiner Geschichte auch meine eigene gesehen. Mit zwölf rannte ich in grüner Latzhose und mit einer Bohnenranke im Arm vor einem Haufen Kinder fort, die mich kreischend verfolgten und mir meine Bohne wegnehmen wollten. Die Bohne stand wohl für die Würde. Auch, wenn ich Wunden davon getragen haben, meine Bohne habe ich bis heute nicht hergegeben. Auch Dank Menschen wie dir. Ein wunderschöner, relevanter Artikel. I am Fan<3

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  • Danke, ganz herzlichen Dank. Ja, auch Menschen die Mobbing erlebt haben, haben Wahlmöglichkeiten. Trotz Mobbing kann jede/jeder sich für Lebensfreude entscheiden. Es ist möglich.

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    • SabrinaRahtgens
      12. Juli 2021 13:26

      Ja, auch wenn man es in dem schmerzhaften Moment nicht immer gleich sieht, die Entscheidung daran zu wachsen liegt in jedem von uns angelegt 🙂

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