Wildromantisch und naturverbunden friedlich? Was Du unbedingt wissen solltest, bevor Du den „Beruf Hundetrainer“ wählst.

Der Herbst ist da. Statistisch gesehen die beste Jahreszeit für meinen Hundetrainer-Job, zusammen mit dem Frühling. Die Temperaturen stimmen (keiner ruft an und sagt den Termin ab, weil es zu heiß oder zu kalt ist). Die Grippewelle überlegt sich noch, welches Kostüm sie diesmal anzieht (keiner ruft an und sagt den Termin ab, weil er krank ist). Die Urlaubssaison ist vorbei (keiner ruft an und sagt den Termin ab, weil er spontan verreist). Starke Regenfälle dauern nicht sehr lange und stundenlangen Nieselregen hält man gut aus. Dazwischen viele Sonnenstunden mit lachenden Hundegesichtern (ja, Hunde haben ein „Lachgesicht“) und strahlenden Menschenaugen (das kommt bei uns Hundemenschen sehr oft vor). Reicht das, um den Beruf Hundetrainer zu ergreifen?

Hier kommen meine Top 10 der Gründe, weshalb man auf keinen Fall Hundetrainer werden sollte.

Und…psssst. Wenn Du ganz nach unten scrollst, da entdeckst Du einen elften Punkt.

1. Romantik versus Realität: Der Vorab-Check zum Traumberuf Hundetrainer

Romantische Vorstellung
Ein laues Sommerlüftchen streift durch sattgrüne Baumwipfel, während wir mit unseren Hunden auf jene Lichtung treten, die so wunderbar nach Waldboden duftet. Dort trainieren wir Apport, Suche, Abruf. Ein bisschen Leinenführigkeit. Der ein oder andere muss vielleicht noch das Warten und Stillsein üben. Dann gehen wir lachend und glücklich zu unseren Autos zurück. Wir verabschieden uns vom Kunden und wünschten, alle Tage wären wie dieser. Denn wir wissen: Es folgen auch ganz andere. Wettertage und Kunden.

Realistische Erweckung:
Wir stapfen mit nasskalten Füßen durch aufgeweichte Wiesen. Stundenlang. In unseren Autos lagern ein drittes Paar Schuhe, Socken und zwei weitere Jacken. Theoretisch könnten wir einen Bauchladen für Handschuhe, Hundefutter, Dummys und Co. aufmachen. Wir hören uns geduldig die Flüche unserer Kundschaft bei Regenwetter oder heißen Tagen an – auch noch, nachdem wir uns bereits drei Mal umgezogen haben.

2. Fachfrau für wetterfeste Kleidung: Du kennst sie alle und sie kennen Dich

Ein Blick in die Wetterstatistik müsste eigentlich reichen, um die meisten Menschen davon abzubringen, einen Outdoor-Job wie den Hundetrainer/in zu wählen. Nehmen wir das Beispiel „Winter in Deutschland“:

Irgendwann kennst Du sie alle: Wellensteyn, Good Boy!, Jack Wolfskin und Co. Du kaufst Deine Socken bei den Tauchern, Deine Schuhe bei den Seglern, Deine Jacken bei den Jägern, Deine Unterwäsche bei den Skiläufern. Du beheizt Deine Schuhe mit beheizbaren Sohlen. Du nimmst in Kauf, dass man Dich regelmäßig fragt, ob Dir das Gefängnis heute Freigang gewährt hat, weil das Equipment an Deinen Fesseln aussieht wie ein Peilsender. Du erwähnst nie, wie knapp Du tatsächlich jeden Tag am Knast vorbei kommst – denn Du lächelst ja immer höflich, wenn mal wieder ein Hundehalter ungefragt ein paar gute Tipps für Deine Kundschaft hat, während ihr in der Öffentlichkeit trainiert. Du haust niemandem voll eine rein. Nein. Du lächelst und dankst freundlich.

3. Sexy? Fehlanzeige

Draußen zu arbeiten bedeutet, dass Du Sonne, Regen, Schnee und Wind permanent ausgesetzt bist. Am meisten sieht man das im Gesicht und an den Händen. Nach der dritten Agility-Stunde bei schwülwarmem Wetter, da riecht man das auch.

Wenn Dir schöne lange Nägel wichtig sind oder eine ebenmäßige Bräune– lass den Job auf jeden Fall bleiben! Du wirst Sonnenbrille tragen und das wird man im Gesicht sehen. Außerdem kriegst Du Sonnenbrand. Deine Nägel brechen ab – und zwar beim ständigen Kofferraumaufklappen – und wieder zuklappen. Sie brechen beim Dummywerfen, sie brechen beim Leinefesthalten, sie brechen beim Schuheanziehen, sie brechen ab beim…einfach immer.

4. Der ungeplante Taxifahrer-Schein im Job als Hundetrainer

Es dauert nicht lange und Du kennst Dich in Deiner Stadt mit ihren Straßen und aktuellen Baustellen besser aus, als jeder Taxifahrer. Das liegt an den Hausbesuchen bei Hundehaltern. Du weißt, wie lange der Berufsverkehr morgens andauert und wann er am Spätnachmittag wieder anfängt. Nach diesem Wissen planst Du Deine Hausbesuchs-Routen. Wenn Du mal mit Freunden ausgehst (siehe nächster Punkt) und auf ein Taxi angewiesen bist, musst Du hoffen, dass der Fahrer Dich noch mitnimmt. Denn: Du weißt alles besser und gehst dem Taxifahrer voll auf den Keks – was Dich binnen weniger Monate auf die schwarze Liste der Fahrerkollegenschaft bugsiert.

5. Soziale Vereinsamung inmitten netter Leute

Machen wir uns nichts vor: Der Hundetrainer-Job gehört zu jenen, in denen soziale Vereinsamung am häufigsten ist, obwohl permanent mit Menschen und ihren Hunden gearbeitet wird. Wie das kommt? Von Montag bis Freitag arbeitest Du ganz normal, wie die Mehrheit der Bevölkerung. Naja, nicht ganz: Du fängst früher an und hörst viel später auf, als die „nine to five“-Angestellten. Samstag bis Sonntag ist Deine Hochphase, weil da die meisten Leute Zeit haben, um mit ihren Hunden Trainings zu buchen. Ergo: Du arbeitest immer. Wenn Du es schaffst, zwischendurch noch mit Freunden und Familie zu telefonieren, dann zwischen den Fahrten der Hausbesuche. Alternativ beim Glas Rotwein am Abend, kurz bevor Du erschöpft ins Bett plumpst. Sei Dir sicher, dass Du nach spätestens einem Jahr sehr genau weißt, wer Deine wirklich guten Freunde sind.

6. Die höchste Kunst im Beruf Hundetrainer: Menschenliebe

Hundetraining ist eine sehr intime Geschichte. Denkt man erst gar nicht, ist aber so. Du lernst nicht nur Hunde und ihre Probleme kennen – sondern auch Menschen und ihre Herausforderungen im Alltag. Es ist schon was dran: Das größte Problem beim Hundetraining ist der Hundehalter. Du wirst das zu hören bekommen, was gemeinhin als „Ausreden“ bezeichnet wird. Das Ding ist: Viele Menschen erleben aus ihrer Perspektive eine Ausrede nicht als solche. Sie glauben tatsächlich, dass sie eine Trainingsaufgabe nicht umsetzen können. Es ist die hohe Kunst des Hundetrainings, diesen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und sie dabei zu unterstützen, einen Weg aus dem Irrglauben zu finden. Hundetraining braucht neben der Liebe zu Hunden vor allem die Liebe zum Menschen. Ein wirklich harter Brocken. Der härteste. Wer das beherrscht, trägt den schwarzen Gurt im Hundetrainer-Karate.

7. Bescheiden und getrieben von Leidenschaft: Das Einkommen.

Was auch immer ein „hohes Einkommen“ für Dich bedeutet, rechnen kannst Du ja: Du verdienst im Durchschnitt etwa 1.700 Euro netto pro Monat (je nach Bundesland liegst Du etwas höher oder niedriger). Das macht ein Jahreseinkommen von durchschnittlich 20.400 Euro netto. Ob das nun viel oder wenig Geld für Dich bedeutet, Fakt ist, dass Du realistisch und statistisch betrachtet, nicht zu den Spitzenverdienern gehören wirst.

8. Es wird nie langweilig im Traumberuf Hundetrainer

Es tut sich immer mehr Wissen über Hunde auf und damit verändert sich Deine Tätigkeit. Als Hundetrainer passt Du Deine Trainings den aktuellen Erkenntnissen an, andernfalls machst Du Deine Arbeit nicht richtig. In einigen Städten verlangt Deine Zertifizierung nach §11 Tierschutzgesetz sogar, dass Du jährlich Fortbildungen besuchst. Manche Veterinärämter erkennen auch Fortbildungen an, die sich auf die Weiterbildung im Bezug auf Kundenumgang und Menschen-Coaching beziehen. Nachzufragen lohnt sich auf jeden Fall.

9. Gelassenheit und Weisheit mit einer guten Portion Humor

Wenn Du die Punkte 1-7 liest, fällt Dir vielleicht eines auf: Als Hundetrainerin hast Du kaum freie Zeit. Wenn Du es geschafft hast, Freiraum für Dich zu schaffen, dann entscheidest Du weise, wie Du diesen Freiraum füllst und mit wem. Das Internet, so wundervoll bereichernd es sein kann, ist sicherlich kein geeigneter Ort um echte, bereichernde soziale Beziehungen zu leben. Wenn Du masochistische oder sadistische Veranlagungen hast, dann klicke Dich durch Internetforen, in denen über Hunde und ihre Gesundheit und Erziehung geredet wird. Willst Du geistig gesund bleiben, schau niemals dort vorbei. Nie nie niemals. Die guten Fachleute treffen sich da nicht.

10. Arbeite mit Rückenwind und Leichtigkeit

Es braucht ein wenig Zeit, doch nach spätestens zwei Jahren Tätigkeit im Hundetrainer-Business weißt Du genau, welche Kundschaft zu Dir passt. Du richtest nach diesen idealen Kunden Deine Business-Strategie aus. Dein idealer Kunde fühlt sich von Dir angesprochen und kommt zu Dir, weil Ihr Euch versteht. Wenn Ihr dieselbe Sprache sprecht, klappt das Training mit dem Hund in der Regel sehr, sehr gut. Dieser Kunde empfiehlt Dich weiter, meistens an Leute, die er/sie mag. So kommt es, dass Du noch mehr Leute trainierst, die Du auch gern hast. So wird auch deutlich wie wichtig es ist, dass Du Dich nicht verstellst und verbiegst für Kundschaft, die nicht zu Dir passt. Das kostet unnötig Kraft, die Du dringend brauchst in diesem Job (quod erat demonstrantum).

11. Niemals aufgeben und weiter wachsen

Das ist der wichtigste Punkt von allen. Der Kern, die Quintessenz, das Super-Belohnungs-Würstchen. Wenn Du nur ein paar Mal erlebt hast, wie großartig es sich anfühlt, wenn ein Mensch und ein Hund zusammen wachsen und beide strahlend Dein Trainingsgelände betreten und verlassen – dann weißt Du, warum Du diese Arbeit machst. Du veränderst etwas zum Besseren auf dieser Welt, jeden Tag. Und das mindestens mal zwei.

Es gibt unglaublich viele Gründe, weshalb man den Beruf Hundetrainer auf keinen Fall machen sollte. Die oben aufgeführten sind nur ein kleiner Einblick. Doch es gibt etwas, das Dich und Deine Leidenschaft ausmacht. Es gibt einen Grund, weshalb Du diese Arbeit machst oder machen möchtest. DAS ist Dein Motor und die Ursache für Deinen Erfolg. Wenn Du es wirklich von Herzen willst dann… mach´s einfach! Wir brauchen gute Leute für unsere Hunde und für uns.

Foto: Wyatt Ryan

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Ich danke dir für deinen sehr humorvollen Bericht. Es hat Spaß gemacht ihn zu lesen. Ich überlege meinen Traum zu verwirklichen und auch mein Berufsleben dem Hund zu widmen und dein Bericht hat mich sehr inspiriert.

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    • SabrinaRahtgens
      24. April 2019 16:06

      Hallo Maya, das freut mich sehr. Und wenn es dazu beiträgt, dass Du mit Herz und Verstand gleichermaßen den Jobs machst, hat die Hundewelt wieder einen großartigen Menschen dazu gewonnen! Alles Liebe und Gute für Dich – und natürlich ganz viel Erfolg!

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